Freitag, 11. September 2009

Arctic Monkeys - Humbug

Neu, neu, neu! Heute gibt's die erste CD-Kritik zu lesen, weitere zu den Bereichen Film, Games und auch Musik folgen.

Ihren allerschlimmsten Lieblings-Albtraum haben sie in 2006 überstanden und nun folgt endlich das dritte Album der fröstelnden Affen. Mitten in der Wüste schlossen sie sich mit Queens of the Stone Age-Mastermind Josh Homme ein, um Longplayer numero 3 zu produzieren und ihrem Ruf als UK's finest Export gerecht zu werden. Herausgekommen ist alles andere als Humbug.


Die fein gestaltete Papphülle lässt ein wackeliges Songgerüst erahnen, aber in diesen 10 Songs steckt massiver Brit-Indie, fundamentiert mit akkurat punktuierten Akzenten und haufenweise QOTSA-Mörtel. Wenn hier US auf UK trifft, vermengen sich 2 verschieden großartige Musiker zu etwas Neuem. Während der Erstling "Whatever the people say I am, that's what I'm not." noch auf exzellent geschrabbelten Spätpubertär-Rock setzte, wirkte "Favourite Worst Nightmare" durchdachter, überlegter, melodischer, aber nicht weniger genial. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als die abgegrabbelte Floskel " Diese Jungs sind erwachsen geworden" auszupacken. Also, diese Jungs sind erwachsen geworden. Vielleicht ist das auf Josh zurückzuführen, auf die erdrückende Einsamkeit in der Wüste oder auch einfach auf den Zahn der Zeit. "Humbug" ist keine dreckige Ohrfeige eines Schulburschen, sondern ein gelungen wohltuender - wenn auch nicht für jeden leicht zu verdauender - Gemütswandel.
Alex Turner singt jetzt ruhig und gelassen mit zotteliger Mähne, weiß immer noch zu verführen, und hat dennoch seine kräftige Stimme nicht verloren. Alles wirkt melancholisch, wehmütig und reißt trotz der vergleichsweise langsamen Geschwindigkeit sofort mit. Während Alex einlullt und verzaubert, bleibt die Solo-Gitarre des Steinzeit-Königs unverkennbar - schließlich soll auch er regelmäßig in die Seiten gegriffen haben. Das klingt immer wieder durch, wenn der Höhepunkt naht, alles fast zu explodieren droht und auf einmal ein kratzig hohes Krächzen ertönt. Die Weiterentwicklung der Band muss man akzeptieren, wenn man sich mit "Humbug" anfreunden will, aber sie passt exzellent zu den Jungs von der Insel und kann nach kurzer Zeit als Bereicherung angesehen werden.

"My propeller won't spin and I can't get it started on my own. When are you arriving?"

In einer Beziehung hat sich wenig geändert und das sind die faszinierenden und symbolischen Texte. Alex scheint nicht mit einem Stift zu schreiben, sondern mit einem Zauberstab. Was er von sich gibt klingt intelligent, äußerst lyrisch und sowieso so toll, dass man sich immer wieder in einzelnen Zeilen verfängt. Wunderbar ist auch, das jeder einzelne Text im Booklet nachzulesen ist.
Beim ersten Hören wartet man ungeduldig darauf, dass die Löcher aus dem Käse fliegen und die Sticks zerbrechen wie in "View from the afternoon", aber verfehlt. Wenn man glaubt, gerade die Monkeys in höchster Ekstase zu erleben, überraschen sie wieder mit einem Tempo-Wechsel. Manchmal glaubt man sogar, gerade 2 verschiedene Songs gehört zu haben, obwohl man der Song-Struktur eh selten folgen kann. Den Berg rauf und wieder runter, wie es beliebt, und trotzdem macht es immer wieder Spaß, jeden Höhepunkt und jedes Solo zu hören. Umgesetzt hat man das alles absolut akkurat.

Alles wunderbar neu und trotzdem typisch arktisch an den richtigen Stellen. Die gut 45 Minuten beginnen mit "My Propeller", das anfangs etwas schwer zugänglich und außerdem schwerfällig wirkt, aber sich zum Ende hin voll entfaltet. Einige Klänge erinnern an Spaghetti-Western, bis schließlich der Schatten des Schnelleren schießt und ins Schwarze trifft. Nach dem eigentlich Monkeys-untypischen Ausklingen des Songs folgt "Crying Lightning", dessen Bass zunächst rau vor sich hin dümpelt. Später trifft Alex der Blitz, er schreit, er weint und das alles ganz emotinal. Immer im Hintergrund dabei: die so oft dominante Base. "D.A.N.G.E.R.O.U.S. A.N.I.M.A.L.S." bringt den Stein dann durch einen simplen wie genialen Buchstabier-Reim ins Rollen. Geht in den Kopf, bleibt da auch. Mit "Secret Door" folgt eine verträumte Ballade mit reichlich Sternenstaub für schöne Träume und angenehme Erinnerungen. Generell gelingt es den Jungs mit jedem Song, eine ohrwurmige Mittsumm-Melodie zu schaffen. Nur bei "The Fire and the Thud" und "The Jeweller's Hand" klappt das nicht auf Anhieb. Diese Songs sind auf keinen Fall schlecht, aber sie setzen sich schwerer fest, so dass man einfach immer wieder reinhören muss, um sich alles in Eerinnerung zu rufen. Mag am gemächlichen Stil liegen, vielleicht auch einfach an mir. Ganz dick kommt's dann in "Cornerstone", wo die Monkeys beschwingt mit Wurzelholz-Stock am goldenen Broadway-Geländer vorbeischlendern und den ganz großen Glamour verbreiten. Zum Schluss heizt "Pretty Visitors" noch einmal im Stil der alten Songs ein, alle rüpeln rockig rum und befriedigen somit den Fan. Schräg daneben stellt sich "Potion Approaching", das so wunderbar markig mit "I was biting the time zone." eingeleitet wird. Ein Paradebeispiel für den neuen Gesamt-Sound ist "Dance Little Liar" mit seinen stillen Tönen, dem präzisen Klang und der unterschwelligen Energie. Fuchsteufelswild!

FAZIT: Ob Humbug oder nicht, entscheidet die Fangemeinde. Der eine Teil tanzt im Kreis, der andere hört aus Trotz die alten Scheiben. "Humbug" ist an meinen eigentlichen Erwartungen vorbeigerannt und hat dafür Erwartungen erfüllt, von denen ich gar nicht geträumt hatte. Und wenn die 10 Lieder wieder mal zu Ende sind, zieh ich mir alten Alben rein. Ich bin Fan, oh yeah! 9/10

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