Donnerstag, 30. September 2010

Azubine from outer Space

Es wundert nicht, dass im Hinblick auf Dienstleistungen in Deutschland von einer "Servicewüste" gesprochen wird, wenn man es mit Kamelen zu tun hat, die zwischen ihren Ohren nur feinen Sand lagern.


Eine große Zahl der Schüler heutzutage hocke auf einem Niveau, auf dem manche beim Fernsehen ihre Füße ablegen, so die aktuelle Meinung vieler. Was will man auch anderes behaupten, wenn man als Schüler selbst unweigerlich mit dem geistigen Verfall in Berührung kommt. Wer sich schon unflätig verhält, wenn er nur auf einem Stuhl sitzt, kann auch im Berufsleben keine Höhenflüge vollbringen. An einem Tag, an dem mir dieses krasse Beispiel vor Augen geführt wurde, spielte sich folgendes ab:

Ich betrete das örtliche "Fachgeschäft für Textil- und Lederwaren in Form von Taschen und Rucksäcken", um mir eine neue Tasche bzw. einen neuen Rucksack auszusuchen. Es fällt nicht schwer, mir ein schickes Modell auszugucken, doch was mir noch viel mehr auffällt, ist die Aushilfe oder auch Azubine, die nebenan am Tresen wie eine Besoffene rumhängt. Sie mag 17 sein, ist vielleicht auch Praktikantin. Ob sie jetzt die Controllerin des Geschäfts gewesen sein mag, kümmert mich nicht, denn anhand ihres Verhaltens lassen sich tolle Defizite im Bereich der Kundenbedienung ausmachen.
Sie hängt schlaff mit ihrem Oberkörper auf dem Tresen und steckt ihre Nase tief in ein Telefonbuch. Okay, sie scheint zu lesen. Dann fällt auf, dass sie doch wirklich über ihren MP3-Player Musik hört, schwer zu erkennen an den pinken Stöpseln, die aus ihren Ohren raushängen. Noch dazu würdigt sie nicht einmal mich, den König, also den Kunden des Geschäfts, eines Blickes und starrt stattdessen abwesend auf die vielen Buchstaben. Zum Glück komme ich auch ohne ihre "Beratung" aus. Doch die Spitze des Eisbergs ist noch nicht erreicht. Ihren dicklichen Hintern streckt sie von der Kasse weg, dabei kaut sie ihren Kaugummi widerwärtiger als jedes Weidetier. Sie hat den Mund von einem Schmatz zum nächsten solange offen, man könnte denken, sie wartet auf den Zahnarzt, der ihr eine Wurzelbehandlung verpassen soll. Zusätzlich begrabbelt sie mit ihren Fingern ihr Handy, natürlich. Was für eine Erscheinung, was für ein Service. Wahrscheinlich hat sie nicht einmal mitbekommen, dass ich sie sekundenlang verdutzt angestarrt habe und eventuell auch einen Rat bezüglich meiner Rucksackwahl gebraucht hätte. Wie angeklebt hängt die Kleine da, verpackt in ein niedliches rosa Outfit. Als Anmerkung muss ich jedoch hinzufügen, dass auch ich als Servicekraft oft einen Kaugummi im Mund hatte, den ich jedoch seitlich in der Wange oder unter der Zunge versteckt habe, während ich mich unterhalten habe. Schließlich soll der Kunde seine Nase nicht so weit in meinen Rachen stecken können, um herauszufinden, welche Marke ich eigentlich kaue.

So sieht es also aus, wenn man sich an Kundenfreundlichkeit versucht - man versucht einfach, den Kunden durch seine ruhige Ausstrahlung nicht zu stören. Beim Verlassen des Geschäfts werfe ich nochmals einen Blick zurück und sehe, wie sich die Azubine from outer Space mit einer anderen Kundin nach außen bewegt - ja tatsächlich, sie lebt! Mit dabei: die Ohrstecker, die an ihr herunterbaumeln, und der gnatschige Kaugummi zwischen ihren Kiefern. Es hätte mich tierisch interessiert zu wissen, in welcher Art sich diese nette Fachkraft mit mir unterhalten hätte... Schwerfällig stampft sie nun also mit offenem Gebiss in Richtung Kundin, wohl glaubend, dem Zahnarzt jetzt ihre Beißerchen präsentieren zu können.

Montag, 13. September 2010

'Nen Steifen in der Buchhandlung kriegen

Ich glaube erkannt zu haben, warum so viele Menschen Buchhandlungen und Bibliotheken nahezu ihr gesamtes Leben lang meiden. Nicht etwa, weil Lesen als sportliche Betätigung verstanden wird, die mit einer schwitzigen Anstrengung gleichzusetzen ist - nein! Den meisten ist es einfach peinlich, zwischen Fachliteratur in Sachen Politik und Gartenpflege einen Steifen zu kriegen.




Nun, ich selbst muss zugeben, dass ich viele lange Jahre nur nach Büchern geschaut habe, die ich für die Schule benötigt habe. Es gab kein wirkliches Werk, dass mich dazu verführt hat, zum bedruckten Papier zu greifen. Manchmal hat sich zu mir ein Atlas verirrt, doch in diesem Fall von einem Roman zu sprechen, wäre so fatal, wie die TV-Zeitschrift als Lieblingslektüre zu benennen.
Jedenfalls betrete ich mittlerweile seit einiger Zeit gern jede Buchhandlung, um nach dem ein oder anderem Schmöker zu schauen, auf den ich durch allerlei Rezensionen in verschiedenen Medien aufmerksam geworden bin. Kaum hat man die Ladentür betreten, fällt es leicht, sich anhand übersichtlicher Schilder in die Lieblingsabteilung zu verkrümeln. Doch - und hier liegt der Fehler versteckt - es macht so viel Spaß, einen näheren Blick ins Regal zu werfen, wie sich von Chuck Norris ins Genick treten zu lassen. Wenn wenigstens die Titel auf den Buchrücken einheitlich in alle Richtungen gedruckt wären, könnte man sich einigermaßen bequem vorm Regal verrenken, bis man das jeweilige Buch erspäht hat. Doch scheinbar ist noch kein halbwegs gewiefter Bibliothekar auf die Idee gekommen, in diesem Bereich eine brauchbare DIN-Norm einzuführen. Da hangeln sich die Glubscher umständlich von einem Buchrücken zum nächsten, bis man schon wieder den Kopf in die andere Richtung neigen darf. Das hält doch niemand aus, ernsthaft.
Es ist anstrengend genug, dass ich schräg von oben nach unten lesen muss, da muss ich mich vorm Regal nicht auch noch zum lustigen Wackel-Dackel machen. Sogar beim heimischen DVD-Regal lässt sich dieses nervige Headbangen nicht vermeiden, es herrscht haargenau das gleiche Debakel.

Das will ich nicht verstehen. Man will dem Kunden so viel Geld wie möglich aus der Tasche ziehen, indem man rotes Licht in der Wursttheke anbringt oder in einigen Abteilungen weichen Teppich statt Laminat verlegt, (manche Buchhandlungen bieten ihren Kunden sogar Sitzgelegenheiten und Kaffee an, wohl um etwas Erholung zu gewähren) doch hier fühlt man sich wie ein ungelenker Bücherwurm, der sich verbiegt und durch die Regale windet. Aus diesem Grund bevorzuge ich einfache Datenbanken, die mir auf einen Suchbegriff viele passende Bücher ausspucken und mich dabei sogar aufrecht sitzen oder stehen lassen. Gesund fürs Genick kann das jedenfalls nicht sein und sobald man auch noch mit steifem Nacken oder Halskrause die Buchhandlung betritt, wird der kurze Bummel zum nervigen Pilates- und Yoga-Kurs für Fortgeschrittene. Am besten ist es, man fragt sofort einen Angestellten, der seinen Gummihals sicher gern zwischen die Bücher steckt.